Das kontaktlose und mobile Bezahlen etabliert sich im Leben der Verbraucher in Deutschland
wegen der Corona-Pandemie zunehmend. Im Hintergrund tobt nun der harte Kampf der Anbieter
um Zugangswege und Marktanteile.
Die Giro- respektive Debitcard genießt im Vergleich zur klassischen Kreditkarte unter
Verbrauchern in Deutschland eine nach wie vor deutlich höhere Akzeptanz. Der umsatzbasierte
Transaktionsanteil der hierzulande 110 Millionen Debitkarten beläuft sich laut Bankenverband
auf 38 Prozent im Handel, während die 36 Millionen Kreditkarten bloß auf einen mittleren
einstelligen Prozentsatz kommen. Aufgrund von Covid-19 legte auch die Beliebtheit
des kontaktlosen Bezahlens zu. Das zeigen mehrere Untersuchungen.
Stefan Quermann, Managing Principal bei Capco, sieht in der Ende August erfolgten
Integration der Sparkassen-Girocard in Apple Pay einen herben Schlag für die Kreditkartenanbieter.
"Sie geraten dank der in der Regel geringeren Transaktionspreise bei der Girocard
für den Händler durch ihre Einbindung in die Wallet des Smartphones unter Preisdruck.
Und Kunden präferieren die Girocard auch deshalb, weil mit ihr Zahlungen fast ohne
Zeitverzug auf dem Konto sichtbar sind", argumentiert der Payment-Experte. Ihm zufolge
könnte es überdies zu einer Verschiebung der Anteile bei bargeldlosen Zahlungen zugunsten
von Apple kommen sowie zu einer weiteren Stärkung der Girocard. "Die Nutzerzahlen
bei Apple Pay könnten signifikant ansteigen, da die Deutschen für Kartenzahlungen
sehr deutlich die Girocard favorisieren. Im Jahr 2019 haben laut der Deutschen Kreditwirtschaft
4,5 Milliarden Transaktionen mit dieser Karte gemessen am Wert nahezu zwei Drittel
aller Kartenzahlungen in Deutschland ausgemacht. Mit der Integration der Sparkassen-Girocard
in die Wallet des US-Tech-Konzerns sind etwa 50 Millionen Kunden der öffentlich-rechtlichen
Institute für Apple erreichbar."
Aufgrund des Sparkassen-Vorstoßes könnten auch andere Geldhäuser unter Druck geraten,
ihre Girocard in Apple Pay zu integrieren. Ein weniger düsteres Bild für die Kreditkartenanbieter
als Capco-Experte Quermann zeichnet der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und
Raiffeisenbanken (BVR). In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: "Wir sehen
hier nicht, dass die Kreditkartenorganisationen unter Druck geraten, eher im Gegenteil,
da die Infrastrukturen dieser Organisationen genutzt werden. Dieser Trend wird auch
über die so genannten Neobanken befördert. Diese geben zurzeit keine Girocards aus
und bauen auf Mastercard und Visa auf. Übrigens werden deutlich mehr digitale Girocards
als digitale Kreditkarten von den Kunden genutzt."
Institute mussten Kröten schlucken
Was die Bedingungen angeht, zu denen Banken und Sparkassen mit Apple zusammenarbeiten,
geben sich die Institute vertragsbedingt äußerst zugeknöpft. Dass Apple wenig bis
keinen Verhandlungsspielraum lässt, ist unter der Hand häufiger zu hören. Während
Google Pay mit einem No-Fee-Modell operiert, wird bei Apple Pay für den Issuer pro
Transaktion eine Gebühr fällig. Die habe es in sich, monieren Brancheninsider. Eine
Studie, die Bankmagazin vorliegt, bestätigt diesen Eindruck. Bei Zahlungen über Apple
Pay, hinter denen eine Kreditkarte steht, werden weltweit 15 Basispunkte des Transaktionsvolumens
als Gebühr fällig. Eine Ausnahme bildet China, wo als Resultat der Verhandlungen zwischen
den dortigen Banken und Apple lediglich sieben Basispunkte verlangt werden. Für Apple-Pay-Zahlungen
mit Debitkarten werden weltweit inklusive China fünf Basispunkte des Transaktionsvolumens
veranschlagt.
Einzelne Angehörige der deutschen Finanzbranche sprechen gegenüber Bankmagazin von
bis zu 25 Basispunkten bei Bezahlvorgängen. Apple wollte diese Zahl auf Nachfrage
nicht kommentieren. Jochen Siegert, Mitgründer und Partner der PBA Experts GmbH, die
hinter dem Finanzblog "Payment & Banking" steht, kommentiert die Diskussion: "Ich
habe bisher nie mit Apple und Google verhandeln ,dürfen'. Aber es gibt ja genügend
Berichte aus anderen Industrien, die klare Indikationen geben, wie die Verhandlungen
der Banken gelaufen sein könnten." Generell gelte: Je stärker ein Anbieter den Anschluss
an neue Technologien und Prozesse verpasst hat, desto schwächer seine Verhandlungsmacht.
"Apple und Google sind sich ihrer Rolle bewusst", sagt Siegert, "und sitzen verhandlungstechnisch
auch im Mobile Payment am viel längeren Hebel."
Kompakt
Im Vergleich zu Kredit- sind Bankkarten hierzulande deutlich beliebter.
Die Sparkassen-Girocard lässt sich seit Ende August bei Apple Pay hinterlegen.
Banker monieren schon länger die in ihren Augen einseitig strikten Verträge und die
hohen Gebühren für Apple Pay.
"Vorsprung nun wieder aufgezehrt"
Mittlerweile können auch Debitkarten in Wallets hinterlegt werden. Setzt das die Kreditkartenanbieter
unter Druck?
Bislang sind es überwiegend die Debitkarten-Varianten der Kreditkartenanbieter, die
bereits in Apple Pay oder Google Pay integriert werden können, zum Beispiel Maestro
oder Visa Debit. Daher bleiben die Transaktionen quasi in der Familie. Allerdings
haben die Sparkassen Ende August ihre Girocard in Apple Pay integriert.
Was ändert sich dadurch?
Aufgrund der hohen Verbreitung der Karte und eines Trends zum kontaktlosen Bezahlen
ist davon auszugehen, dass dieser Schritt viele Sparkassen-Kunden beflügelt, sich
mit der Zahlungsfunktion ihres iPhones zu beschäftigen. Bankkunden, die bisher ihre
Kreditkarte in Apple Pay integriert hatten, stehen damit wieder vor derselben Entscheidung
wie früher beim Blick ins Portemonnaie, nämlich ob sie eine Zahlung mit der Debit-
oder der Kreditkarte ausführen sollen. Während die Kreditkartenanbieter bisher leicht
von der Integration ihrer Produkte in Smartphones oder Smartwatches profitieren konnten,
so ist dieser Vorsprung nun wiederum aufgezehrt.
Welche Rolle spielen Hersteller von Bezahlterminals?
Die Auswahl des Devices, mit dem eine kontaktlose Zahlung vorgenommen wird, bietet
den Herstellern von Terminals wenig Differenzierungsspielraum, um sich vom Wettbewerb
abzuheben. In Deutschland sind Terminals ohne Nahfeldkommunikation, besser bekannt
als NFC-Funktion, kaum noch vorhanden. Ein kleiner Unterschied besteht noch darin,
ob die Geräte die Consumer Device Cardholder Verification Method beherrschen, also
die Authentifizierungsmethode von Devices wie Smartphones oder Wearables nutzen, anstatt
die PIN-Eingabe auszulösen. Mit der zunehmenden Verbreitung von Mobile Wallets wie
Apple Pay und Google Pay wird die Nachfrage des Handels nach diesen Geräten steigen.
Damit werden die Terminal-Hersteller nicht umhinkommen, die Nutzung von beispielsweise
Smartphone plus Wallet so komfortabel wie möglich zu gestalten.
Es heißt, dass Apple bei einem Bezahlvorgang über seine Wallet bis zu 25 Basispunkte
Transaktionsanteil erhält. Warum lassen sich Kreditinstitute darauf ein?
Die zögerliche Einführung von Apple Pay in Deutschland wird von nicht wenigen Branchenkennern
mit dem Verhandlungspoker um die Transaktionsanteile in Verbindung gebracht, die Apple
von den Banken verlangt haben soll. Angesichts der geringen Margen, die kartenausgebende
Institute bei Zahlungen im Handel erwarten können, ist es doppelt schmerzlich, sie
auch noch mit einem Technologiepartner zu teilen. Die angekündigte Integration der
Sparkassen-Girocard in Apple Pay zeigt jedoch: Es muss auf beiden Seiten Einigungswillen
gegeben haben. Das ist auch kein Wunder, denn bei einer dauerhaften gegenseitigen
Blockade einer marktreifen Technologie verlieren am Ende beide Seiten - an Ansehen
und an Kunden. Ein interessanter Seitenaspekt ist, dass die Sparkassen die gerichtlich
erzwungene Öffnung der Apple-NFC-Schnittstelle nun nicht nutzen werden.