Troponin-Anstiege sind häufig bei COVID-19-Patienten. Doch die kardialen Folgen der
Infektion sind noch immer unklar. Kardiologen haben nun schwer erkrankte Patienten
nach ihrer Genesung mit einem MRT untersucht - und bei mehr als der Hälfte Auffälligkeiten
festgestellt.
Müssen Kardiologen bei COVID-19-Patienten mit kardialen Spätfolgen rechnen? Diese
Frage beschäftigt die Wissenschafts-Community schon länger, eine eindeutige Antwort
darauf gibt es bisher nicht.
Britische Kardiologen um Dr. Tushar Kotecha haben sich nun die schwer erkrankten COVID-19-Patienten
genauer angeschaut, und zwar jene, bei denen sich im akuten Krankheitsverlauf ein
Troponin-Anstieg nachweisen ließ. Insgesamt 148 Patienten aus sechs Kliniken haben
die Wissenschaftler nach ihrer Genesung mittels Kardio-MRT untersucht, im Median 68
Tage nach dem positiven Testergebnis.
Drei Arten von Herzbeteiligungen
Bei mehr als der Hälfte (54 %) konnten die Kardiologen Auffälligkeiten im Herzen feststellen,
die sie drei verschiedenen Kategorien zuordneten:
Myokarditis-ähnliche Late-Gadolinum-Enhancement(LGE)-Muster: bei 40 Patienten, also
27 %,
Infarkt-ähnliche und/oder ischämische Pathologien: bei 28 %, und
Duale Pathologien: bei 6 %.
Myokarditis-ähnliche LGE-Muster
Ein Drittel von den 40 Patienten mit Myokarditis-ähnlichem LGE-Muster wies zum Zeitpunkt
der Untersuchung noch Anzeichen einer aktiven Inflammation auf, messbar durch eine
regionale Erhöhung des nativen T2 und T1, bei 10 % war nur T2 erhöht. Bei allen anderen
Patienten deuteten die Befunde auf eine ausgeheilte Myokarditis hin, da T1 und T2
normal waren oder nur T1 erhöht war (bei 28 %). Bei einem Patienten wurde kein T1/T2-Mapping
gemacht.
Das Ausmaß der LGE-Muster habe sich bei den meisten Fällen (88 %) aber nur auf höchstens
drei Segmente beschränkt, ordnen die Autoren diese Befunde ein. Und abseits von diesen
konnten die Kardiologen in den meisten Fällen keine Erhöhung von nativem T1 als Anzeichen
für diffuse Fibrosen oder Ödeme oder T2 (was spezifischer für myokardiale Ödeme ist)
im Vergleich zu gematchten Kontrollpatienten feststellen. Lokale Ödeme waren also
häufig, diffuse Fibrosen gab es aber in keinen der Fälle.
Die LGE-Muster seien auch nicht mit regionalen Wandbewegungsstörungen oder Einschränkungen
der Ventrikelfunktionen einhergegangen, führen die Autoren weiter aus. "Ein Bildgebungs-Phänotyp
also, bei welchem man im Falle von Nicht-COVID-Myokarditis-Ätiologien im Allgemeinen
eine gute Prognose erwarten würde", lautet ihre Einschätzung dazu.
Trotzdem können sich die Autoren vorstellen, dass Patienten mit akuten Troponinanstiegen
und einer anhaltenden regionalen myokardialen Inflammation ein "aufkommendes Problem
von klinischer Relevanz" werden könnten. Auch wenn der Anteil der Patienten in ihrer
Studie geringer sei, als es in früheren Untersuchungen berichtet wurde. In einer Studie
der Frankfurter Gruppe von Prof. Nagel ließen sich bei 60 % der genesenen COVID-Patienten
Anzeichen einer myokardialen Inflammation nachweisen. In einer Autopsie-Studie waren
Myokarditiden bei COVID-19-Patienten allerdings eher selten nachweisbar.
Infarkte und/oder induzierbare Ischämien
Bei insgesamt 28 von 148 Patienten - also 19 % - wurde subendokardiales und/oder transmurales
LGE dokumentiert, das als Herzinfarkt bewertet wurde. Bei sieben von ihnen konnte
im Adenosin-Stresstest eine induzierbare Ischämie nachgewiesen werden. Bei weiteren
13 Patienten (9 %) fiel zwar der Ischämie-Test positiv aus, sonstige Infarktanzeichen
gab es aber keine. Bei 66 % der Patienten mit Infarkt- und/oder Ischämie-Zeichen war
bis dato keine ischämische Herzerkrankung bekannt. Die aktuellen Befunde waren somit
die ersten, die in diese Richtung hindeuteten. Allerdings wiesen fast alle Patienten
mind. einen Risikofaktor auf (95 %).
Die britischen Kardiologen haben dafür zwei potenzielle Erklärungen. Zum einen halten
sie es für wahrscheinlich, dass einige der dokumentierten abnormalen MRT-Befunde Ausdruck
einer bereits bestehenden koronaren Herzerkrankung sind. Die bisher unerkannte Erkrankung
ist durch die SARS-CoV-2-Infektion quasi erst "entlarvt" worden. Die Infektion fungierte
also als Trigger, der zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf (durch das
Fieber, Tachykardien) und Sauerstoffangebot (Hypoxie, Hypotension) geführt und so
eine Myokardischämie ausgelöst hat, entsprechend eines Typ-2-Myokardinfarktes.
Die zweite Theorie: Das SARS-CoV-2-Virus hat die Patienten in eine Art prothrombotischen
Status versetzt und dadurch einen Typ-1-Myokardinfarkt verursacht, begünstigt wurde
dies durch das Vorliegen entsprechender Risikofaktoren.
Ganz egal was die Ursache war, wichtig ist es nach Ansicht von Kotecha und Kollegen,
diese Patienten zu identifizieren. Da sie womöglich von einer medikamentösen Behandlung
und ggf. einer Koronarintervention profitieren könnten, erläutern sie die Konsequenzen.
Duale Pathologien
Zu guter Letzt die dualen Pathologien: Bei insgesamt neun Patienten (6 %) fanden sich
sowohl ischämische als auch nicht ischämische MRT-Veränderungen. Also z. B. Anzeichen
eines Infarktes und Myokarditis-ähnliche oder nicht ischämische LGE-Muster.
Fazit: Zusammenhang mit Infektion ist wahrscheinlich
Zusammenfassend deuten die aktuellen Ergebnisse also darauf hin, dass mehrere mit
einer SARS-CoV-2-Infektion assoziierte Mechanismen das Herz betreffen können, inkl.
Myokarditis, Myokardinfarkten (Typ 1 und Typ 2) und induzierbaren Ischämien. Die Kardiologen
weisen allerdings darauf hin, dass die untersuchten Patienten das Ende des Erkrankungsspektrums
repräsentierten, also sehr schwer erkrankt waren, ein Drittel wurde beatmet. "Es ist
somit wahrscheinlich, dass diese Daten die kardialen Gesamteffekte einer COVID-19-Infektion
überschätzen", betonen sie.
Angesichts des Ausmaßes der Pandemie halten sie eine Kontrolluntersuchung mit einem
MRT für alle COVID-19-Patienten für "nicht praktikabel". Für sehr kranke Patienten
mit positivem Troponin und Anzeichen einer Restinflammation könnte ihrer Ansicht nach
ein MRT aber ein wichtiges Nachsorgeinstrument darstellen.
Letzten Endes können die Autoren ihre MRT-Ergebnisse nicht mit definitiver Sicherheit
mit der zurückliegenden SARS-CoV-2-Infektion in Verbindung bringen. Aufgrund der hohen
Prävalenz von abnormalen Befunden halten sie einen Zusammenhang aber für wahrscheinlich.
Wie die langfristige Prognose dieser Patienten sei, müsse nun weiter untersucht werden.
Kotecha T et al. Marianna Fontana, Patterns of myocardial injury in recovered troponin-positive
COVID-19 patients assessed by cardiovascular magnetic resonance. Eur Heart J. 2021;
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab075
Pellegrini D et al. Microthrombi As A Major Cause of Cardiac Injury in COVID-19: A
Pathologic Study. Circulation. 2021; https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.051828
Herzschäden bei COVID-19 - was dahinter stecken könnte
Mikrothromben: Bei 11 der insgesamt 14 von Pathologen aus Bergamo obduzierten Patienten
mit einem Postmortem-Nachweis von Muskelzellnekrosen ließen sich kardiale Thromben
detektieren. In zwei Fällen waren die Gerinnsel in den epikardialen Koronararterien
lokalisiert, beide Patienten hatten an einer schweren koronaren Atherosklerose gelitten,
weshalb sie durch eine perkutane Koronarintervention behandelt werden mussten. Bei
neun Patienten handelte es sich um Mikrothromben, die sich in den myokardialen Kapillaren,
Arteriolen oder in den kleinen Muskelarterien befanden.
Herzmuskelzellnekrosen: Auf Herzmuskelzellnekrosen könnten ischämische EKG-Veränderungen
wie z. B. ST-Streckenerhöhungen/-senkungen > 0,1 mV, neuer Linksschenkelblock oder
T-Wellen-Inversionen hinweisen. Solche Auffälligkeiten waren bei COVID-19-Patienten
mit postmortal nachweisbaren Herzmuskelzellnekrosen im Vorfeld jedenfalls deutlich
häufiger zu sehen als bei Patienten ohne Herzbeteiligung. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal
wiesen Patienten mit Myozytennekrosen höhere Konzentrationen von hochsensitivem Troponin
I auf, sie hatten häufiger chronische Nierenerkrankungen und STEMI-Infarkte bei Klinikaufnahme.
Der Anteil von Frauen war höher in der Gruppe mit Nekrosen als in der ohne.