Am Standort Höhr-Grenzhausen im Westerwald vereint das integrierte europäische Feuerfest-Zentrum
ECREF Aspekte der Bildung, Forschung und Innovation an einem Standort. Die Aufgabe
des ECREF besteht darin, die Feuerfestindustrie bestmöglich zu unterstützen, beispielsweise
bei der Ausbildung von Nachwuchs oder auch bei der Weiterbildung von Fachpersonal.
Einen besonderen Stellenwert haben Forschungs- und Entwicklungsprojekte gemeinsam
mit Produzenten und Anwendern.
In der modernen Volkswirtschaft zählt die Technologie der feuerfesten Keramiken zu
den strategischen Schlüsseltechnologien, ohne die eine auf Fertigungs- und Produktionstiefe
ausgelegte Nationalökonomie nicht vorstellbar ist. Die Industriezweige, in denen feuerfeste
Keramiken eingesetzt werden, erzielen dabei einen vielfachen Umsatz der Schlüsselindustrie
Feuerfest selbst. Deutschland besitzt die größte Feuerfest produzierende Wirtschaftsbranche
Europas (Umsatz ca. 1,5 Mrd. €/a; ca. 6.000 Beschäftigte) und eine der wichtigsten
der Welt. Die thematische Ausrichtung der Branche Feuerfest endet dabei nicht bei
der Herstellung von keramischen Bauteilen oder Werkstoffen. Sie erstreckt sich vielmehr
auf die Bereiche der Rohstoffwirtschaft, der Fertigung von feuerfesten Erzeugnissen
und der Ausbildung zu dem Wissen und Können, auch größte Anlagen und Thermoprozessräume
mit den richtigen feuerfesten Systemen auszustatten.
Feuerfest ist heute ein global denkender und agierender Wirtschaftszweig, in dem die
Akteure hoch vernetzt sind. Die überwiegende Anzahl der in Deutschland operierenden
Feuerfest-Produzenten und ihrer Zulieferer sind dabei im Verband der Deutschen Feuerfest-Industrie
e. V. (www.vdffi.de) zusammengefasst. In dieser Konstellation hat sich im nördlichen
Rheinland-Pfalz ein europaweit einmaliges Kompetenzzentrum der feuerfesten Keramiken
ausgebildet. Am Standort Höhr-Grenzhausen im Westerwald systematisiert das integrierte
europäische Feuerfest-Zentrum ECREF (European Centre for Refractories) die Synergie
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Das European Centre for Refractories verbindet
dabei die Aspekte der Bildung, Forschung und Innovation an einem Standort (Bild 1).
Diese drei Aspekte werden integriert gedacht und gelebt, indem Bildung die Grundlage
für Forschung legt und Forschung die Grundlage für Innovation. Für die Feuerfestindustrie,
deren Produkte in Industriezweigen mit Hochtemperaturanwendungen verwendet werden,
deren Prozesse ständig verbessert oder (wie in der Stahlerzeugung) auch komplett verändert
werden, sind Bildung, Forschung und Innovation von besonderer Bedeutung. Die Aufgabe
des ECREF besteht darin, die Feuerfestindustrie in diesen Aspekten bestmöglich zu
unterstützen.
Aus- und Weiterbildung
Zur Ausbildung junger Menschen, die in der Feuerfestindustrie tätig sein wollen, wurde
IRES (Integrated Refractory Education System) entwickelt und umgesetzt. Es umfasst
Berufs- sowie Fachschulen, Hochschulen und Universitäten in der Region um Höhr-Grenzhausen
und stellt sicher, dass Wissen über Feuerfest zum Curriculum jeder keramischen Ausbildung
gehört. IRES begleitet dabei Schulabgänger auf jeder Ebene der beruflichen Bildung
und Qualifikation: Von der Ausbildung (Berufsbildende Schule, Montabaur) über die
Qualifikation zum Keramiktechniker (Staatliche Fachschule für Keramik, Höhr-Grenzhausen)
über die akademische Bildung (Hochschule Koblenz, Höhr-Grenzhausen) bis zur Promotion
(Universität Koblenz-Landau, Koblenz).
In der Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Koblenz und der Universität Koblenz-Landau
wird einer der ersten gemeinsamen Master-Studiengänge angeboten (Master of Ceramic
Science and Engineering), in den jede der beiden Einrichtungen ihre Erfahrungen und
Schwerpunkte der Lehre von Feuerfest einbringt. Im Rahmen eines kooperativen Forschungskollegs
"Max-von-Laue Institute of Advanced Ceramic Material Properties Studies" der Universität
Koblenz-Landau und der Hochschule Koblenz werden mittels eines internationalen und
interdisziplinären Ansatzes zudem Doktoranden über den Zeitraum ihrer Promotion stetig
weitergebildet. Dergestalt wird gleichzeitig eine gesellschaftliche sowie regionale
Netzwerkbildung angeregt. Die Bildung und Forschung der Universität Koblenz im Bereich
Feuerfest wird darüber hinaus von der Alexander Tutsek Stiftung gefördert, die durch
Preisgelder und Stipendien Nachwuchstalente finanziert.
Über die Ausbildung hinaus unterstützt ECREF die Weiterbildung von Personal der Feuerfestindustrie,
ihrer Zulieferer und ihrer Kunden. Als Einführung in alle Bereiche von Feuerfest,
insbesondere auch in die Verwendung von Feuerfest in den einzelnen Nutzerindustrien,
wird jährlich das dreitägige Seminar "Feuerfest - Schlüsseltechnologie und ihre Anwendungen"
abgehalten - in Kooperation mit dem europäischen Industrieverband der Feuerfestindustrie,
PRE, auch jedes zweite Jahr in englischer Sprache. Wechselnde Industrieseminare zu
Themen der Prozesstechnik (Brennen, Pressen, Mischen…) ergänzen das Seminarangebot.
Zur kontinuierlichen wissenschaftlichen Weiterbildung und als Leitmesse der europäischen
Feuerfestindustrie, organisiert ECREF das jährliche "Internationale Feuerfest-Kolloquium
(ICR, International Colloquium on Refractories), das in 2020 bedingt durch COVID-19
auf ein virtuelles Format umgestellt wird.
Forschung
Bei Forschung und Innovation hat die konsequente Unterstützung von Feuerfestproduzenten
und -Anwendern einen besonderen Stellenwert. Im integrierten europäischen Feuerfest-Zentrum
in Höhr-Grenzhausen führt die Forschungsgemeinschaft Feuerfest e. V. (FGF) zusammen
mit Feuerfestproduzenten und Feuerfestanwendern Forschungs- und Entwicklungsprojekte
durch. Insbesondere durch die Vernetzung mit Anwenderindustrien, die feuerfeste Werkstoffe
einsetzen, ist die Forschung und Entwicklung anwendungs- und ergebnisorientiert. Kennzeichnend
für die Arbeit der FGF ist zudem eine große Bandbreite von grundlagenforschungsorientierter,
öffentlich geförderter Gemeinschaftsforschung zwischen Produzenten und Anwendern (z.
B. im Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft) bis zu bilateralen Entwicklungskooperationen
auf vertraulicher Basis.
Ein Arbeitsschwerpunkt der Forschungsgemeinschaft Feuerfest e. V. liegt in der Entwicklung
von Hochtemperatur-Materialprüfmethoden, die über die vorhandenen Prüfsysteme weit
hinausgehen. Die immer höheren Anforderungen an feuerfeste Keramiken in den Anwenderindustrien,
bei denen hohe Temperaturen, hohe mechanische Belastungen und korrosive Atmosphären
zusammenkommen, verlangen neue Werkstoffe, die auf diese Anforderungen hin gezielt
entwickelt werden müssen. Aussagekräftige Hochtemperatur-Materialprüfmethoden für
thermophysikalische und thermomechanische Eigenschaften tragen dabei entscheidend
zur Leistungsfähigkeit von feuerfesten Keramiken bei. Sie liefern zudem wertvolle
Materialkennwerte zur mathematischen Simulation und Optimierung des Verhaltens feuerfester
Bauteile mittels FEM, die die Werkstoffentwicklung ergänzen.
Beispiel: Temperaturwechselbeständigkeit
Im Zuge der Energieoptimierung werden viele industrielle Prozesse zunehmend dynamischer
betrieben. In solchen Fällen werden die dort eingesetzten feuerfesten Werkstoffe stärker
als bislang mit Temperaturwechseln belastet. Um das Verhalten von feuerfesten Materialien
bei dynamischen Temperaturwechseln bei hohen Temperaturen zu untersuchen, hat die
FGF daher eine Hochtemperatur-Temperaturwechsel-Prüfeinrichtung entwickelt (Bild 2),
bei der Probekörper zwischen verschiedenen Temperaturen, beispielsweise 1000 °C und
1600 °C, zykliert werden können. Der Energieeintrag ist dabei anwendungsnah gestaltet
und ist früheren Systemen deutlich überlegen. Die Ergebnisse solcher Prüfungen, bei
denen die Schädigung der Probekörper zukünftig auch in situ gemessen werden kann,
unterstützen die zielgerichtete Entwicklung verbesserter feuerfester Werkstoffe in
der Feuerfestindustrie.
Beispiel: Zementindustrie
Zur Verbesserung feuerfester Keramiken für den Einsatz in der Zementindustrie und
für Untersuchungen der Wechselwirkungen zwischen Sekundärbrennstoffaschen und feuerfesten
Auskleidungen kommt bei der FGF ein Labor-Drehtrommelofen zum Einsatz, der mit einem
speziellen Erdgas-Sauerstoff-Brenner ausgestattet ist (Bild 3). Mit diesem Hochleistungsbrenner
können im Labor die hohen Temperaturen und die Atmosphären erreicht werden, die in
industriellen Zementdrehrohröfen vorherrschen.
Beispiel: Energiewende
Aspekte der Energiewende, sei es die Verwendung von Biogas und Wasserstoff als Ersatz
für Erdgas oder die Umstellung auf Strom, verlangen von der Feuerfestindustrie angepasste
bis vollkommen veränderte Brennprozesse. Die FGF betreibt dazu Studien, thermochemische
Simulationen (z. B. mittels Factsage), experimentelle Untersuchungen, Werkstoffanalysen
und standardisierte Vergleichsmessungen zur Untersuchung des Einflusses des Energieträgers
beim Brand auf die Qualität feuerfester Rohstoffe und Erzeugnisse.
Innovation
Innovation, also die Entwicklung und Produktion von neuen und verbesserten feuerfesten
Erzeugnissen, ist Kernaufgabe der Feuerfestindustrie. Eine wichtige Voraussetzung
dafür ist der Transfer von neuem Wissen aus der Forschung in die Industrie. ECREF
unterstützt diesen Transfer auf möglichst kurzem Wege, indem Forschung (FGF) und Industrie
(VDFFI) unmittelbar zusammenarbeiten. Dies manifestiert sich in gemeinsamen Arbeitsausschüssen
oder in Forschungsprojekten der industriellen Gemeinschaftsforschung (Programm IGF
des BMWi), bei denen bereits während der Projektlaufzeit regelmäßige Transfersitzungen
stattfinden.
Bei der Umsetzung von Innovationen wird die Feuerfestindustrie darüber hinaus vom
im ECREF angesiedelten DIFK - Deutschen Institut für Feuerfest und Keramik GmbH in
jeder Hinsicht unterstützt. Das DIFK bietet als unabhängiges, akkreditiertes Prüflabor
ein außerordentliches Angebot an Materialprüfungen an. Damit werden insbesondere kleine
und mittlere Unternehmen der Feuerfestindustrie in die Lage versetzt, ihre Produkte
ohne eigene Laborkapazitäten zu prüfen und zu verbessern. |