Originalpublikation
Marzano AV et al (2020) Cutaneous manifestations in patients with COVID-19: a preliminary
review of an emerging issue. British Journal of Dermatology 1. 10.1111/bjd.19264
Ein neuartiges Virus breitet sich aus.
Die WHO (World Health Organization) erklärte den Ausbruch von SARS-CoV‑2 („severe
acute respiratory syndrome-coronavirus-2“) im März 2020 zur globalen Pandemie [1].
Bei dem neuartigen Virus handelt es sich um ein RNA(Ribonukleinsäure)-Virus der Coronaviridae-Familie.
Die Erkrankung, die es hervorruft, wird als COrona-VIrus-Disease-19 (COVID-19) bezeichnet,
die sehr heterogen verlaufen kann: Von inapparenten bis milden Verläufen kann sie
zum septischen Schock oder Tod führen. Führendes Symptom sind häufig akute respiratorische
Symptome. Initial als „influenzaartige Infektion“ gehandelt, kristallisierte sich
im Verlauf heraus, dass auch nachhaltige Schäden an verschiedenen Organen auftreten
können [1].
Durch die steigenden Fallzahlen und Beobachtungen der Verläufe zeigt sich die klinische
Diversität des Virus. Mittlerweile wurde in aktuellen Publikationen beschrieben, dass
auch die Haut von Patienten, die mit SARS-CoV‑2 infiziert sind, heterogene Erscheinungen
zeigen kann.
Welche kutanen Veränderungen finden sich bei SARS-CoV-2?
Eine Gruppe aus Mailand hat dazu einen Review der aktuellen Literatur mit einer Übersicht
über die Hautmanifestationen von SARS-CoV‑2 erstellt und dazu eventuelle Pathomechanismen
diskutiert [2].
Aktuell finden sich in der Literatur multiple Fallberichte und kleine Fallserien,
die sich mit dem Thema befassen. Die Gruppe aus Mailand hat daher nur Fallberichte
und Fallserien berücksichtigt, bei denen mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) SARS-CoV‑2
nachgewiesen wurde. Bei nur einem Fall wurde die Diagnose mittels Computertomogramm
und nachweislichem Kontakt des Patienten zu einer SARS-CoV-2-infizierten Person gestellt.
Die Hautveränderungen traten in den meisten Fällen nach den ersten COVID-19-Symptomen
(z. B. Fieber, trockener Husten, Fatigue) mit unterschiedlicher Latenz auf. Selten
traten die Läsionen simultan oder in der Prodromalphase auf, es existieren ebenso
Fallberichte von Hautmanifestationen bei asymptomatischen Infizierten [2].
Am häufigsten sind die folgenden Hautveränderungen beschrieben:
Urtikaria,
makulopapulöses Exanthem,
papulovesikulöses Exanthem,
Chilblain-artige Läsionen,
Livedo reticularis/racemosa,
Purpura/Vaskulitis.
Assoziierte Hauterscheinungen.
Zwei Gruppen von COVID-19-assoziierten Hauterscheinungen sind wesentlich:
Exantheme und
vaskulitisartige Veränderungen.
Die Exantheme stellen laut der Mailänder Gruppe den Hauptteil der COVID-19-Hautmanifestationen
dar. In einer Kohorte in Spanien, die 375 Patienten umfasste, zeigten 47 % dieser
Patienten makulopapulöse Exantheme [3].
Im Allgemeinen sind Exantheme eine häufige Erscheinung bei Virusinfektionen; das Immunsystem
zeigt gegen bestimmte Teile des Virus eine hypererge Reaktion, die sich an der Haut
manifestieren kann. Eine wichtige Differentialdiagnose sind Arzneimittelreaktionen,
weswegen eine entsprechende Anamnese wichtig ist. Die Verläufe waren häufig selbstlimitierend,
eine topische antiinflammatorische Therapie hat jedoch v. a. den Pruritus bei mit
SARS-CoV‑2 infizierten Patienten lindern können [2].
Die zweite Gruppe der SARS-CoV-2-Hautmanifestationen bilden die vaskulitisartigen
Läsionen. Die häufig beobachteten Thrombosen bei schweren COVID-19-Verläufen oder
auch vermuteten Mikroangiopathien in der Lunge oder Niere können sich ggf. auch in
den kleinen Gefäßen der Haut zeigen und zu vaskulitisartigen Hautveränderungen führen.
Während in manchen Fällen von akuter Ischämie der Akren mit Zyanose und Gangrän auf
Intensivstationen berichtet wurde, sollte in diesem Kontext als Pathomechanismus eher
der schwere Krankheitsverlauf mit Koagulopathie und starker Komplementaktivierung
diskutiert werden. In einem Fallbericht von Magro et al. wurden bei Patienten mit
einer Mikroangiopathie der Lunge und der Haut Komplementablagerungen sowie das Spike-Glykoprotein
von SARS-CoV‑2 in den Gefäßen nachgewiesen, was diese Hypothese untermauert [4].
Häufiger werden jedoch livedoartige und vaskulitisartige Hautveränderungen in milderer
Ausprägung beschrieben, die eine ähnliche Pathogenese zur Grundlage haben könnten.
Ein weiterer möglicher Erklärungsansatz ist die „Eintrittspforte“ von SARS-CoV‑2 in
die Zellen: Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), das als zellulärer Rezeptor z. B.
am Lungenepithel für SARS-CoV‑2 dient [5]. Dockt SARS-CoV‑2 an diesen Rezeptor an,
kommt es zur ACE2-Akkumulation und folglich zur einer Gefäßdysfunktion, Vasokonstriktion
und veränderter Permeabilität der Gefäße [6].
Weiterhin beschrieben als möglich COVID-19-assoziiert sind Chilblain-artige Hautläsionen.
Fernandez-Nieto et al. werteten die Daten von 132 Patienten mit akralen Läsionen aus
[7]. Als möglicher Pathomechanismus wird eine verzögerte Immunreaktion gegen virale
Partikel oder eine gesteigerte Interferonantwort diskutiert. Das Durchschnittsalter
lag bei 19,9 Jahren, was darauf hindeutet, dass diese Art von Hautveränderungen eher
jüngere Patienten betreffen könnte. Engen COVID-19-Kontakt hatten 41 % dieser Patienten,
während nur 14,4 % positiv auf SARS-CoV‑2 getestet wurden. Jene zeigten jedoch keine
Pneumonie oder andere Komplikationen.
Daher kann aktuell nur spekuliert werden, ob Chilblain-artige Läsionen eine Manifestation
von COVID-19 insbesondere bei jungen Patienten mit besserer Prognose darstellen könnten.
In einer weiteren Arbeit aus Frankreich wurden ebenso Chilblain-artige Hautveränderungen
als eine COVID-19-Hautmanifestation beschrieben. In dieser Arbeit wurden bei 7 von
14 positiv auf SARS-CoV‑2 getesteten Patienten Hautveränderungen nachgewiesen, davon
hatte ein Patient Chilblain-artige Läsionen. Bei einer weiteren Patientengruppe (n = 40)
mit Chilblain-artigen Hautveränderungen waren 6 der PCR-Tests negativ, bei den restlichen
Patienten wurde kein Test durchgeführt.
Dies lässt vermuten, dass die Läsionen verzögert auftraten, das Virus ggf. nasopharyngeal
nicht mehr nachweisbar war oder sogar gar kein Zusammenhang besteht [6].
In Tab. 1 wird dargestellt, welche Differentialdiagnosen wichtig sind und welche Diagnostik
hilfreich ist bei Verdacht auf kutane Manifestation einer SARS-CoV-2-Infektion:
Exanthematische Hautveränderungen bei SARS‐CoV-2‐Infektion
Vaskulitisartige Hautveränderungen bei einer SARS‐CoV‑2‐Infektion
Differentialdiagnose
Arzneimittelreaktion, andere Virusinfektionen
Vaskulitis, Gangrän, Chilblain-Lupus, Perniones
Wann treten die Hautveränderungen auf?
Meistens akut mit den ersten COVID-19-Symptomen
Verzögert nach den ersten COVID-19-Symptomen
Diagnostik
Entsprechende Anamnese
Histopathologie
SARS-CoV-2-PCR eines Rachenabstrichs
Serologie (SARS-CoV‑2, Epstein-Barr-Virus, Zytomegalievirus, Varicella-Zoster-Virus,
ParvoB19 u. a.)
Entsprechende Anamnese
Histopathologie
Ggf. direkte Immunfluoreszenz
SARS-CoV-2-PCR eines Rachenabstrichs
Serologie (SARS-CoV-2)
Antinukleäre Antikörper
Kryoglobuline
Kälteagglutinine
Therapie
Symptomatisch
Symptomatisch
PCR Polymerasekettenreaktion
Große Beobachtungsstudien sind für eine weitere Klassifizierung obligat.
Es muss beachtet werden, dass wir uns zum einen noch am Anfang der SARS-CoV-2-Pandemie
befinden und zum anderen insbesondere bei Patienten mit einem fulminanten Krankheitsverlauf
ggf. auf die Konsultation von DermatologInnen verzichtet wurde. Zudem werden milde
Verläufe von COVID-19 keine hautärztliche Untersuchung erfahren haben, insbesondere
da die Hautmanifestationen in manchen Fällen nur temporär und ohne Symptome sein können.
Es werden weiterhin große Beobachtungsstudien mit Hautbiopsien, serologische Untersuchungen
und PCR-Analysen benötigt, um zu bewerten, inwieweit die Manifestationen an der Haut
relevant sind, um die Pathophysiologie besser zu verstehen und nützliche Ansätze für
die Therapie zu erhalten.
Fazit für die Praxis
Aktuell sollte bei exanthematischen und vaskulitisartigen Hautveränderungen, v. a.
mit Fieber und Atemwegssymptomatik, an eine SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome-coronavirus-2“)-Infektion
als Differentialdiagnose gedacht werden.